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Lletres: Angizia. 39 Jahre Für Den Leierkastenmann. Komik Und Elegische Momente.


[ELIAS HOHLBERG]

Der Tod ist ein Gelachter,
Denn das Leben ist bizarr.
Er pocht an roten Turen,
Denn sein Richter ist ein Narr.

Komisch ist das Leben,
Wenn es nicht mehr mit mir tanzt.
Plump scheint es zu geben,
Was der Tod in uns verschanzt.

Lebt? ich kuhn wie ein heller Ton,
lebt? ich wie ein kranker Mann...
lebt? ich wie ein Bub vom Zarenlohn,
lebt? ich wie nur ich es kann.

[ERZAHLER]

Kuhn blieb der Leierkastenmann,
Komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne Zwang,
Er machte Humor zum Drang.

[ELIAS HOHLBERG]

Lebt? ich wie ein Mann vom Zarenlohn,
lebt? ich wie ein kranker Mann...
lebt? ich (so) kuhn wie ein heller Ton,
lebt? ich wie nur ich es kann...

[ERZAHLER]

Kuhn blieb der Leierkastenmann,
Komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne Zwang,
Er machte Humor zum Drang.

Kuhn blieb der Leierkastenmann,
Komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne Zwang,
Er machte Humor zum Drang.

Als die gro?e Judenhetze einsetzt, wird es fur Hohlberg immer schwieriger,
sein Ideal vom komisch besetzten Menschentum mit fidelen Klangen
durchzusetzen. Wahrend die Konigsberger letzte Briefe kritzeln, versteckte
Munzen zahlen und uber ein nachstes Jahrzehnt ratschlagen, stellt sich
ihm, dem Leierkastenmann, ein barfu?iges Madchen mit dem indischen Namen
?Tschandravatii? vor. Das vom Schmutz der Wasserlachen bekleckerte Kind
verehrt das Hohlberggemut, hupft und singt vor seinem Kasten, das
dunkelblaue Kleidchen mit beiden Handen hochgehoben, und verwandelt den
Puppenfratz August in eine skurrile Tanzfigur. Fruhmorgens und so lange
bis die Nacht erwagt, den frohlich begonnenen Tag mit dunklen, immer dunkler
werdenden Nachttuchern zuzudecken, tanzt das knochige Waisenkind zu
Hohlbergs bizarr-komischer Musik. Er leiert und leiert, doch kalte Winter
ziehen hinauf nach Konigsberg, und nur noch kranke Bettler und Tote ruhen
in der eisigen Stadt. Willens, den ?Krieger? zu beschamen, bevorzugt Hohlberg
den Winter als Morder seiner Lieder, seiner Traume und seines Lebens. Als
der Judenfeind die Stadt Konigsberg erreicht, zieht der Spielmann stolz
und trunken in den verzweigten Labyrinthgarten nahe dem Marktplatz, um dort
den harten Kampf gegen den russischen Winter, der ob seiner erdruckenden
Schneedecken nun endgultig seinem Namen gerecht wurde, zu verlieren.

Einige Jahre spater, nachdem der Leierkastenmann nachweislich aus der
Stadt verschwunden war, erzahlte sich manch Konigsberger die folgende
Geschichte:
Damals, im strengen Winter 1941, soll ein indisches Madchen erfroren sein,
6 Jahre alt und verliebt in die Geige. Man sagt, das Kind hatte einen
Spielmann lachen horen, unten am Graben, in dem kunstlich angelegten
Labyrinthgarten der Stadt. ?lachen? wie der Donner donnerte und Sonne in
der Nase kitzelte, ?lachen? wie es das Madchen selbst nur allzu gerne tat.
Barfu? und dem Leierkastenspiel eines Verruckten horig, war es in den
Irrgarten gezogen, dem Gelachter des Leierkastenmannes folgend. Fast
verwegen ob der lauten Mitteilung stiefelte das Kind weiter, ohne je einen
Stiefel getragen zu haben. Der Mann lachte und lachte, leierte immer
wieder zwei, dann drei Tone. Immer leiser verstummten sie in den vereisten
Schneebrettern, die sich nun nach und nach von den eisig bedeckten Hecken
losten.

Man fand das Madchen dann im Fruhjahr danach, als viele Konigsberger aus
dem Suden zuruckkehrten, um nach ihren Hauserresten zu sehen. Es sa? am Boden,
die Arme verschrankt, vor sich ein Kopekenstuck, das aus einer leeren
Handschale fiel. Den Kopf hatte es an einen Leierkasten gewinkelt. Und
dort, wo Schnee schon schmolz, doch Erde noch fern war, ragte die Holzhand einer
feurig roten Marionette hervor. Unter ihr - konnte das ein lachender Toter
gewesen sein? - fand man, die Marionette fest umklammernd, einen judischen
Musikanten, erfroren und genauso mindestens einen Winter tot.

Sein Name: Elias Hohlberg, 39 Jahre alt.